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Vorwort - Besetzung - Über den Inhalt - Über die Musik - Pressestimmen

Arrest

Musikdrama in einem Akt

nach dem gleichnamigen Theaterstück von Pavel Landovsky

eingerichtet vom Komponisten

© Noise Production Wien, 2000/34

Im Auftrag der Neuen Oper Wien

 

Vorwort

Fünf Häftlinge, unterschiedlicher Herkunft und Bildung mit den verschiedensten Inhaftierungsgründen von Diebstahl bis politischer Betätigung, verbringen den Tag in ihrer Gefängniszelle. Ein Tag wie jeder andere und doch so ereignisreich, daß man den Eindruck bekommt, es gibt keine Langeweile. Der Tagesablauf ist genau festgelegt und wird von allen gezwungenermaßen mitgemacht. Als plötzlich Schreie, Getrampel und Schüsse aus dem Gefängnisgang zu hören sind, herrscht große Aufregung in der Zelle. Jeder der fünf Häftlinge reagiert in ganz spezifischer Weise auf die nahende Gefahr. Man rechnet mit dem Schlimmsten und schließt bereits mit seinem Leben ab, das nun jederzeit vorbei sein kann. Die Ohnmacht der Gefangenen und das grenzenlose Ausgeliefertsein an die Machthaber wird hier ganz klar. Jeder der Insassen schafft sich seine eigene Welt im Kopf. Physisch in einer Zelle auf engstem Raum mit vier weiteren Menschen unterschiedlichsten Charakters total eingezwängt, bleibt keine Wahl als sich ein zweites Dasein im Geist aufzubauen. Pavel Landovsky, der dieses Stück seinem Freund, dem heutigen Tschechischen Staatspräsidenten Václav Havel mit dem er 1977 gemeinsam inhaftiert wurde, gewidmet hat, beschreibt dies mit ungeheurer Präzision. Hier wechseln klare Gedanken mit Verleugnungsmechanismen und gedanklichen Ablenkungsmanövern, Aggression mit Solidarität, Spieltrieb und ernsthafte Betrachtung ständig ab. Das geschaffene Bild ist so lebensecht, daß man sich förmlich selbst inmitten der Gefangenen wähnt. In der Extremsituation des nahenden Endes werden hier die menschlichsten Züge und die Essenz des Seins offenbar. Als sich herausstellt, daß in dem Gefängnis nur ein Film gedreht wird, und somit keine Gefahr besteht, löst sich die extreme Ausdrucksform eines jeden Häftlings wieder in die alltägliche Gefängnisroutine auf. Dieses Stück hat mich tief beeindruckt. Der Inhalt, die Besetzung vor allem aber auch die in sich geschlossene Form des Stückes bietet eine ideale Voraussetzung für eine Opernvertonung. Die Herausforderung dieses Stoffes ist die musikalische Charakterisierung der einzelnen Personen, die sowohl mit Witz als auch mit Ernsthaftigkeit und Tiefe ihren Alltag erleben. Jeder Mensch ob nun eingesperrt oder nicht befindet sich in seinem eigenen geistigen "Gefängnis" und es liegt an uns, diese Beschränkungen immer wieder niederzureißen und gegen den Konformismus im Denken zu kämpfen. Das Musikdrama Arrest soll dafür ein Ansporn sein.

Dirk D'Ase, 1999

Über den Inhalt

Die Gefängniszelle, in die der Dissident und Schriftsteller Vanek eingeliefert wird, ist eine Welt für sich: verschiedene Charaktere unterschiedlicher Herkunft, Bildung, Anklage und Verurteilung sind sich gegenseitig ausgeliefert, nur in ihrer Verachtung des Gefängniswärters Vonavka sind sie sich einig. Die zwei ungarischen Zigeuner - einer davon taub - überstehen den Gefängnisalltag relativ unbeschadet, während Pejchl, ein kommunistischer Druckereiarbeiter, mit seinen Mitgefangenen nicht zu Rande kommt. Der Älteste in der Zelle ist ein Offizier, der sein Leben teils in Gefängnissen teils in Militärkasernen verbracht hat und versucht, der Situation mit seinen Erfahrungen zu begegnen.

Zwischen den Gefangen wechseln grundsätzliche Debatten und Streit um Privilegien in der Zelle, offene Argumente und Verleumdungen, Mut und Selbstmitleid, Aggression und Solidarität, Humor und Spott ständig ab. In den wenigen Minuten, in denen sie nicht unter Beobachtung stehen, sind die Gefangenen damit beschäftigt, ein Loch in die Fensterblende zu stemmen. Während eines Gefängnisaufstandes, bei dem man Schüsse und Schreie hört, verbarrikadieren sie ihre Zelle von innen. Als sich herausstellt, daß in dem Gefängnisgebäude nur ein Film gedreht wird und somit keine reale Gefahr besteht, legen sie sich schlafen und träumen von der Freiheit.

Dirk D’Ase hat in seiner Bearbeitung des Stoffes die parteipolitische Komponente des Stückes zugunsten einer sozialpolitischen reduziert. Er nimmt die Situation im Gefängnis weniger als eine reale Situation als ein psychisches Gleichnis: Alle Gefangenen könnten auch die Facetten einer einzigen Person wiedergeben, das Gutmütige, das Herrschsüchtige, das Stumme, das Lauthalse, das Mächtige und das Ohnmächtige, alle diese Charaktereigenschaften könnten sich auch in einem Kopf, im selben Hirn wiederfinden. Die reale Gefängnissituation steht gleichsam als Gefängnis im eigenen Kopf.

 

Über die Musik

Die Oper „Arrest“ hat eine besondere Form der Instrumentierung: Jedem Sänger - jedem Gefangenen - ist jeweils ein Instrument zugeordnet, dieses Instrument korrespondiert mit der hervorstechendsten Charaktereigenschaft der Figur: die muntere Klarinette mit dem rastlosen Zigeuner Hornak, das dezidierte Baritonsaxophon mit dem lebensklugen Soumar, das hastende Banjo mit dem feigen Pejchl, die stolze Violine mit dem Intellektuellen Vanek, der dumpfe Kontrabaß mit dem tauben Matte. Diese Instrumentengruppe ist als eigenes Ensemble zusammengefaßt und spielt - räumlich und musikalisch - außerhalb des Orchesters. Die Musiker dieses Instrumental-Ensembles haben Kostüme an und fungieren als eigenständige Gruppe, als Insassen einer zweiten Zelle. Beispielsweise spielt es während der Verteilung des Essens eine Art „Tafelmusik“ mit Löffeln und Kochtöpfen. Wenn der Zigeuner Hornak in den Vordergrund tritt, ist die Klarinette nicht weit und spielt Klezmer, die Musik der rastlosen  Menschen.

Auch die beiden Wärter haben ihr eigenes Instrument: der hinterhältige und bösartige Vonavka die bissige und tiefe Posaune, der gutmütige Blondak die flinke Trompete, diese beiden Instrumente sind allerdings ins Orchester integriert. Sowohl die beiden Wächter als auch die beiden mit ihnen korrespondierenden Instrumente sind - aus kompositorischer Sicht - die einzige Verbindung nach draußen, ins Orchester, in die Außenwelt.

Dirk D’Ase hat sich eine eigene rhythmische Technik erworben, die zu einem Merkmal seiner Kompositionen geworden ist und die auf dem Grundprinzip afrikanischer Musik basiert: das interlocking system. Jedes Instrument nimmt das rhythmische Muster eines anderen Instrumentes wieder auf, im Zusammenspiel aller Instrumente werden die Rhythmen verwebt und ergeben einen eigenen, neuen Rhythmus. D’Ase hat viel für große Besetzung komponiert, dabei versucht er große dramatische Bögen zu spannen, für (und nicht gegen) die Stimme zu komponieren.

Die Musik von Dirk D’Ase gibt viel von dem emotionalen Kampf, der in seiner Person tobt, wieder, er verstellt sich in seiner Musik nicht, sondern transponiert und transportiert seine Erregung nach außen. Er arbeitet häufig mit kleinen Notenwerten, macht die Musik dadurch aufgeladener, dichter, aber setzt dies immer wieder in Kontrast zu langsamen Kantilenen; Geschwindigkeit und Dichte könnten als Leitworte über D’Ases Musikschaffen stehen. Er arbeitet unaufhörlich für die Erfindung einer neuen Musiksprache für seine Sänger, seine Figuren und seine Geschichten.

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Pavel Landovsky

wurde am 11. September 1936 in Deutschbrod in Ostböhmen geboren. Nach Ende der Schulpflicht wurde ihm, weil sein Vater als Feind der Sowjetunion galt, jegliches Studium verboten. Er beginnt eine Werkzeugmacherlehre. Nach deren Abschluß wird er doch an der Industriefachschule in Teplitz-Schönau aufgenommen. Ab 1955 Chorsänger im Operettenchor in Teplitz-Schönau. Mehrere Ansuchen um Aufnahme an der Hochschule für Darstellende Kunst werden abgelehnt. Militärdienst und Besuch der Offiziersschule, nach fünf Wochen wird Landovsky wegen des Vermerks über das Verbot jeglichen Studiums zur einfachen Mannschaft zurückgestuft. Während des Militärdienstes spielt er Theater in einer selbstgegründeten Militär-Theatergruppe. Ab 1960 Erste Engagements an Kleinstadtbühnen, 1964 Beginn der Arbeit als Filmschauspieler, bis 1971 Mitwirkung in ca. 30 Spielfilmen, davon in 8 Hauptrollen. 1965 Beginn der langen, zeitweise leitenden Mitarbeit im renommierten Prager Cinoherni klub (Schauspielklub), ausgedehnte Tourneen in westeuropäische Länder und Jugoslawien. 1971 wird ihm durch seine politischen Aktivitäten jegliche Mitwirkung an tschechoslowakischen Hörfunk-, Fernseh- und Filmproduktionen verboten. 1976 wird er aus dem Cinoherni klub ausgeschlossen und mit dem Verbot belegt, auf kulturellem Gebiet überhaupt tätig zu sein. Bis zu seiner Emigration wird er noch mehrmals verhaftet und verbringt insgesamt fünf Monate in Untersuchungshaft, ohne jedoch verurteilt zu werden Amnesty International gelingt es, für Landovsky ein auf zwei Jahre begrenztes Ausreisevisum nach Österreich zu erlangen. Er stellt in Wien sein Stück „Arrest“ fertig und wird Ensemblemitglied des Burgtheaters. 1980 wird Landovsky aus der CSSR ausgebürgert. 1981 findet im Wiener Akademietheater die Uraufführung von „Arrest“ unter der Regie von Rudolf Jusits statt. 1983 erhält Landovsky die österreichische Staatsbürgerschaft. Er spielt in mehreren internationalen Filmen mit, sein Gesamtwerk wird 1984 in tschechischer Sprache im Untergrund-Verlag Samisdat veröffentlicht. Rege Schauspielertätigkeit in Theater und Film, seit einigen Jahren wieder in Tschechien.

   Vaclav Havel und Pavel Landovsky in "Audience

Theaterstücke:

1965 Armenhaus oder Fall für Dorfpolizisten

1967 Ein Stundenhotelier

1970 Supermamma

1976 Sanitäre Nacht oder Desinfektion

1979 ARREST

 

„Über den Einakter „Arrest“ habe ich im Herbst 1979 nachzudenken begonnen, kurz nachdem mein Freund Václav Havel zu viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden war. Alles, was in meiner kurzen Geschichte vorkommt, hat sich tatsächlich zuvor abgespielt, während meiner und Havels Inhaftierung im Frühjahr des Jahres 1978. Ich habe lediglich die Linie dreier Geschichten (die Pejchls, die des Filmes und die Zigeunergeschichte) in einer Zelle und zur gleichen Zeit angesiedelt.“

(Pavel Landovsky zu seinem Stück)

 

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Besetzung

-Vanek Ferdinand (Schriftsteller, Dissident)…..Bariton

-Soumar Harry (ehemaliger Offizier, Deserteur, 66)…..Bariton

-Pejchl Rudolf (Drucker, Betrüger, 50)…..Tenor

-Hornak Laco (Zigeuner, Räuber, 22)…..Tenor

-Matte Elemer (gehörloser Zigeuner, Einbrecher)..Pantomime oder Schauspieler

-Vonavka Jarda (Aufseher dunkelhaarig, bösartig)

  -Blondak (Aufseher, blond, gutmütig)……………….. Baß

-Stimmen, Getrampel, MP Salven, Granatexplosionen, Stimmengewirr, schleifende Geräusche vom Tonband

Orchester 

2 Flöten (auch Altflöte und 2 Piccolo Flöten) Oboe, Klarinette, Fagott, Altsaxophon,

2 Hörner, 2 Trompeten, Posaune, Baßtuba, Konzertakkordeon (Knopfgriff),

 

3 Schlagzeuger: Große Trommel <Standard>, Große Trommel <Fußbedienung>, 3 Tom Tom, 2 kleine Trommeln <mit Saite, ohne Saite>, Bongo, Tamburin, Tam Tam, 4 Blechbüchsen, 2 Agogo Bells, 3 Becken <hängend, geschlagen>, Triangel <hoch>, 2 Temple Blocks, Wood Block, Peitsche, Ratsche, Quijada, Rute, 4 Autohupen, Ente, Lotosflöte, Trillerpfeife <mit Kugel>, Glockenspiel, Xylophon, Vibraphon

 

1.Violine, 2.Violine, Alto, Violoncello, Kontrabaß

Instrumentalensemble (Bühnenmusik)  

Klarinette  (auch Trillerpfeife <mit Kugel>, Nachtigall, Ente, 2 Suppenlöffel)

Baritonsaxophon  (auch Kochtopf mit Schöpflöffel)

Banjo  (auch Kuckuck,  Bratpfanne mit Kochlöffel)

Violine  (auch 2 Esslöffel)

Kontrabaß  (auch Lotosflöte, Trinkglas mit Gabel)

 

Gesamtdauer: ca. 72 Minuten

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PRESSESTIMMEN zur Oper ARREST

D’Ase entwickelt geschmeidige, die Insassen individuell charakterisierende Gesangslinien, die freitonal große Intervallsprünge mit Tonrepetitionen sinnfällig und eingängig verbinden. Sein Grund-Ton sind Sekund-Klänge, in vielen Schattierungen von beißender Schärfe bis zum irrlichternden Klangteppich, oft übereinander geschichtet oder in flüchtige Instrumentalgesten aufgelöst. Wohltuend offen und atmend ist seine Sprache, die humorvoll gelegentlich auch mal das Tonale streift oder, wie für Hornaks Porträt, Eklektizismus vermeidend Klezmer-Töne eben nur ahnen lässt. Immer wieder lässt D’Ase den musikalischen Bogen fast zum Stillstand kommen, in Stille oder rhythmisch fixierte Klangflächen auslaufen. Dann bekommt das fahle Licht warme Töne in den musikalischen Charakterporträts von Dirk D’Ase.

                                                                                                                                                                                                                 Die Deutsche Bühne  2/2001

Die Musik brodelt. Diese neutönerisch-atonale, aber oft klangsüffige, rhythmische Musik setzt viele Pointen. D’Ase ist ein versierter Handwerker, er hat auch Witz (die Instrumentalisten klappern mit dem Besteck bei der Essensausgabe), er markiert karikierende Klänge (die Posaune veräppelt den Wachtmeister), hat einen Sinn für überraschend zeitgenössische Romantik.

Jürgen Kanold   Klassik Heute,  2/2001

 

Arrest ist bereits die vierte Oper des in Antwerpen geborenen österreichischen Komponisten. Sein Handwerk beherrscht er in der Tat: Reste von Klangflächen werden überlagert von afrikanisch beeinflußten rhythmischen Pulsationen; mit großer harmonischer und klanglicher Raffinesse ist das Instrumentarium verwendet, blockartige Bildungen wechseln mit solistischen Quasi- Improvisationen. Und gekonnt setzt D’Ase alle Mittel zum Aufbau gezielter Steigerungen und Höhepunkte ein, Stimmungen und deren abrupte Umschwünge werden suggestiv charakterisiert – kurzum: Theatermusik, wie sie sein soll. Das Premierenpublikum zeigte sich zurecht beeindruckt.

Gerhard Kramer   Das Orchester, 2/2001

Leben zwischen Gittern.Wien: Die neue Oper von Dirk D'Ase. D'Ase hat den Stoff mit großer Sensibilität in Musik gesetzt, ohne schicken Schnickschnack, in einer gut gearbeiteten Mixtur aus Flächigkeit und Motorik und mit der Idee, eine Art fünfköpfiges Concertino mit der Aufgabe zu betrauen, jeden der fünf Gesangssolisten zu charakterisieren: ein achtbares und ernsthaftes Werk. Der warmherzige Beifall galt einem Werk, das die mitleidende Emotion nicht verbirgt.

Derek Weber  Salzburger Nachrichten 25. 10. 2000

Ein packendes Opernerlebnis: Als deutsche Erstaufführung bietet das Ulmer Theater im Podium Dirk D’Ases einaktiges Musikdrama „Arrest“ nach einem Stück von Pavel Landovsky. Der Komponist spannt mit ausdrucksvoller, organischer Musik einen vielgestaltigen Bogen. ... D’Ase destillierte aus dem Schauspiel vor allem die Figuren heraus. Statt der offensichtlich politischen, gleichsam auf eine bestimmte Zeit und Situation bezogenen Aspekte stellte er die sozialen Kontraste in den Vordergrund. ... Vorgetragen wird alles im expressivem, kraftvollem Gesang der Männerstimmen – niemand soll hier hervorgehoben werden – vor und mit der von Thomas Mandl mit großer Übersicht dirigierten, immer farbigen Musik. Diese wird nie rein illustrativ und hat auch lyrisch-poetische Momente oder Phasen großer Ruhe. Der Beifall bei der Premiere am Samstagabend für alle Interpreten und den Komponisten war stark.

Schwäbische Zeitung, 18. 12. 2000

 „Arrest“ von Dirk D’Ase, ein Musikdrama über fünf Häftlinge in einem Prager Gefängnis der Siebzigerjahre, überrascht mit einer neutönerisch-süffigen, ja entfesselten Klangvielfalt. Viel Beifall bei der Premiere im Podium für die von Kerstin Holdt inszenierte Koproduktion mit der Neuen Oper Wien... Hinter der Zelle sitzt zahlreich das von Thomas Mandl hervorragend geleitete Philharmonische Orchester im Untergrund, dazu seitlich, im angedeuteten Gefängnisgang, fünf Musiker mit speziell den Figuren zugeordneten Instrumenten: Die Musik brodelt. Diese stets neutönerisch-atonale, aber oft emphatische, klangsüffige, rhythmisch viele Pointen setzende Musik füllt das Podium. D’Ase ist ein hochversierter Handwerker, er hat auch Witz (die Instrumentalisten klappern mit dem Besteck bei der Essensausgabe), er markiert karikierende Klänge (die Posaune veräppelt den Wachtmeister), hat einen Sinn für überraschend zeitgenössische Romantik. Eine theatralische, tatsächlich undogmatische Musik, die Thomas Mandl mit einem bravourösen Orchester bei der Premiere präzise strömen läßt. Und sie hörten auf das Männer-Ensemble, das die sehr sanglichen Partien ausdrucksstark nutzte.

                                                                                                                                                             Südwest Presse, 18. 12. 2000

ARREST erlebte seine eindrucksvolle Uraufführung. Arrest ist bereits die vierte Oper des in Antwerpen geborenen österreichischen Komponisten. Sein Handwerk beherrscht er in der Tat: Reste von Klangflächen werden überlagert von afrikanisch beeinflußten rhythmischen Pulsationen; mit großer harmonischer und klanglicher Raffinesse ist das Instrumentarium verwendet, blockartige Bildungen wechseln mit solistischen Quasi- Improvisationen. Und gekonnt setzt D'Ase diese Mittel zum Aufbau gezielter Steigerungen und Höhepunkte ein. Das Premierenpublikum zeigte sich beeindruckt.

                                                                                                                                         Gerhard Kramer  Die Presse, 25. 10. 2000

  

Dirk D'Ases Arrest uraufgeführt: Der Traum von der Freiheit. Da die im Wuk uraufgeführte Auftragskomposition von Arrest vom Ulmer Theater koproduziert wird, ist sichergestellt, daß dieses Musikdrama zumindest noch auf einer zweiten Bühne herauskommen wird: Und die Wiener Produktion hat sich das auch verdient. Dirk D'Ases Vertonung des hochpolitischen Einakters versucht die faktischen Gegebenheiten dieser Konstellation auch musikalisch zu fassen. Dazu dient ihm die Charakterisierung der Häftlinge sowie der beiden Wächter mittels ihnen zugeordneter Instrumente, die noch dazu- gewissermaßen als Bühnenmusik in einer Nachbarzelle zusammengefaßt- außerhalb des Orchesters erklingen. Die jeweiligen Klangfarben dieser Instrumente werden zur Psychologisierung der Personen eingesetzt. D'Ase zeigt keine Scheu vor der Wiedergabe von Emotionen, die inneren Kämpfe, Ängste der Protagonisten finden in der Partitur ebenso ihren Niederschlag wie äußere Konflikte. Sogar das Klappern der Löffel und Töpfe bei der Essensverteilung wird als eine Art "Tafelmusik" eingesetzt. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Musik in der Schlußszene, wenn sich die Gefangenen nach den Aufregungen des Tages schlafen legen, und von einem Leben in Freiheit träumen, geradezu unverschämt sentimental wird.

                                                                                                                                                                                                                Wiener Zeitung, 25. 10. 2000

  

Die Stärken der Ulmer Aufführung, die der sinnlichen Kraft dieser postmodernen ausgetüftelten Weltmusik mit sängerischen Qualitäten bis hin zu klarster Artikulation begegnet, liefert Holdts erweiterte „Ulmer“ Fassung, ... Unter der aufladenden Leitung von Thomas Mandl gönnt sich das mit Banjo, Zupfbass und klingender Percussion bestückte Kammer-Ensemble durchaus szenische Atempausen, lässt die multikulturelle Energie dieser Milleniums-Oper mit dem Jazzprädikat „Seele“ pulsieren, ohne Combo zu sein. 

                                                                                                                                                                                                              

Neue Ulmer Zeitung, 18. 12. 2000

  

Dirk D'Ases Oper ARREST nach dem Stück des CSSR Dissidenten Pavel Landovsky. Nun hat der Komponist Dirk D'Ase daraus eine Oper gemacht. Und da wird von Szene zu Szene deutlicher, dass die bedeutungsschwere Musik der Kerkeralltag zur Metapher, zum symbolischen Gleichnis machen, an deren Ende die Gefangenen träumend den Weg hinaus finden. Die Kälte des Themas wird durch einen Hauch des Surrealen gemildert.

Karlheinz Roschitz   Kronenzeitung 25. 10. 2000