Texte - Orchesterbesetzung 
          
        Brecht Orchesterlieder 
        Für Mittlere Stimme und Orchester 
         © Noise Production   1998/31  
        Ein Auftragswerk der Neuen Oper Wien 
        für das Fesival Brecht & Co im Wiener Jugendstiltheater, zum 100. Geburtstag von Bertold Brecht 
          
          
        Die Brechtlieder waren mein musikalischer Beitrag zum Festival „Brecht & Co“ der Neuen Oper Wien im Oktober 1998. Beide Brechtlieder zeigen auf diametrale Weise  die Lebensumstände des berühmten Dichters; Erfolg (Das Frühjahr) und Verfolgung (Gedanken über die Dauer des Exils) und gleichzeitig auch eine Extremseite des menschlichen Daseins. Zeitgleich zu den Brechtliedern entstand meine Oper ARREST. Sie spielt in einer Gefängniszelle und behandelt inhaltlich ebenso wie in Brechts Gedicht „Gedanken über die Dauer des Exils“, eine menschlich isolierte Situation, wo Hoffnung, Verzweiflung und gegenseitige Ausbeutung an der Tagesordnung stehen. Die Suche nach Fröhlichkeit und Unbekümmertheit, die auch die andere Seite des Gefängnisalltags ausmacht, ist die Stimmung des ersten Orchesterlieds „Das Frühjahr“. Vogelzwitschern und grüne Wiesen bei Brecht, Klamauk, Schattenboxen, Kletzmer und Zigeunerlieder in der Gefängniszelle. 
        Das zweite Orchesterlied „Gedanken über die Dauer des Exils“ beschreibt musikalisch den ungeduldig wartenden und zerrütteten Brecht, der in seinem Exil in Schweden auf das Ende der Nazidiktatur wartet. Er hofft auf eine baldige Lösung der Kriegssituation. Obwohl er jeden Tag die Befreiung herbei sehnte, dauerte sein Exil mehrere Jahre an. Das Orchesterlied mit seiner Dauer von mehr als vierzehn Minuten zeigt die gespannte und aufwühlende Hoffnungslosigkeit des Dichters, die mit der Frage: Tag um Tag, Arbeitest du an der Befreiung (...), Willst du wissen, was du von deiner Arbeit hältst? (...) ein fast resignierendes Ende ansteuert. 
          
        Brechts Ohnmacht, den Potentaten grenzenlos ausgeliefert zu sein wird fast zur Obsession und er kann sich nur noch mit der Feder seinen Frust von der Seele schreiben.  Der Gefängnisinsasse schafft sich seine eigene Welt im Kopf. Physisch in einer Zelle auf engstem Raum mit weiteren Menschen unterschiedlichsten Charakters total eingezwängt, bleibt keine Wahl als sich ein zweites Dasein im Geist aufzubauen. Jeder Mensch ob nun eingesperrt oder nicht befindet sich in seinem eigenen geistigen "Gefängnis" und es liegt an uns, diese Beschränkungen immer wieder niederzureissen und gegen den Konformismus im Denken zu kämpfen.  
          
          
        Dirk D’Ase, Wien 1998 
          
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        Das Frühjahr  
        Das Frühjahr kommt. 
        Das Spiel der Geschlechter erneuert sich 
        Die Liebenden finden sich zusammen. 
        Schon die sacht umfassende Hand des Geliebten 
        Macht die Brust des Mädchens erschauern. 
        Ihr flüchtiger Blick verführt ihn. 
          
        In neuem Lichte 
        Erscheint die Landschaft den Liebenden im Frühjahr. 
        In großer Höhe werden die ersten 
        Schwärme der Vögel gesichtet. 
        Die Luft ist schon warm. 
        Die Tage werden lang und die 
        Wiesen bleiben lang hell. 
          
        Maßlos ist das Wachstum der Bäume und Gräser 
        Im Frühjahr. 
        Ohne Unterlaß fruchtbar 
        Ist der Wald, sind die Wiesen, die Felder. 
        Und es gebiert die Erde das Neue 
        Ohne Vorsicht. 
          
          
        Gedanken über die Dauer des Exils 
          
        Schlage keinen Nagel in die Wand 
        Wirf den Rock auf den Stuhl! 
        Warum für vier Tage vorsorgen? 
        Du kehrst morgen zurück! 
          
        Laß den kleinen Baum ohne Wasser! 
        Wozu einen Baum pflanzen? 
        Bevor er so hoch wie eine Stufe ist 
        Gehst du froh weg von hier! 
          
        Ziehe die Mütze ins Gesicht, wenn die Leute vorbeikommen! 
        Wozu in einer fremden Grammatik blättern? 
        Die Nachricht, die dich heimruft 
        Ist in bekannter Sprache geschrieben. 
          
        Sieh den Nagel in der Wand , den du eingeschlagen hast! 
        Wann, glaubst du, wirst du zurückkehren? 
        Willst du wissen, was du im Innersten glaubst? 
          
        Tag um Tag 
        Arbeitest du an der Befreiung 
        Sitzend in der Kammer schreibst du 
        Willst du wissen, was du von deiner Arbeit hältst? 
        Sieh den kleinen Kastanienbaum im Eck des Hofes 
        Zu dem du die Kanne voll Wasser schlepptest!  
          
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        Orchesterbesetzung:
          
2 Flöten (2. auch Piccolo), 2 Oboen (2. auch Englisch Horn)  
        2 Klarinetten, 2 Fagotte (2. auch Kontrafagott)  
        4 Hörner, 2 Trompeten, 3 Posaunen, Baßtuba, Harfe 
        Schlagzeug (mind. 4 Spieler): Glockenspiel, Xylophon, Kleine Trommel, 2 Tom Tom (mittel, tief),Große Trommel (tief),  
        Wood Block, 2 Triangel (hoch), Becken (mittel, hängend), Becken (geschlagen), Tam Tam (tief), Peitsche 
        Mittlere Stimme,  
        1. Violine, 2. Violine, Viola, Violoncello, Kontrabaß 
          
        Dauer: 20 Minuten 
          
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