print this page/ diese seite ausdrucken

Einstein…Bruchstücke

Symphonische Bruchstücke aus der Oper „Einstein in Amerika“

für Bariton und Orchester, auf Aphorismen von Albert Einstein, bearbeitet von Gustav Ernst

© Noise Production Wien 2003/38A

 

„Wenn einer mit Vergnügen zu einer Musik in Reih und Glied marschieren kann, dann verachte ich ihn schon; denn er hat sein Großhirn nur aus Irrtum bekommen...“ Einsteins Zitat führt uns wieder einmal treffend vor Augen wie gut er es verstand, Situationen plastisch und sinngemäß in Worte zu fassen. Seine unzähligen Aphorismen, Zitate und Kommentare sind allgemein bekannt und beliebt. Was weniger bekannt ist, war sein Zugang zu Musik als der eines Amateurgeigers, der mit viel Hingabe immer wieder im Freundeskreis kleine Konzerte bestritt. Seiner Weltoffenheit zum Trotz ging sein musikalisches Verständnis aber nicht über Bach, Mozart und Schubert hinaus. Zu Wagner meinte er: “Ich empfinde den Mangel an architektonischer Struktur als Decadence und kann ihn nur mit Widerwillen anhören.“ während er für Brahms folgende Worte übrig hatte:“... die meisten Werke haben für mich keine innere Überzeugungskraft. Ich begreife nicht, warum es notwendig war, sie zu schreiben.“

Nein, musikalisch konnte ich mich wahrlich nicht auf seine Auseinandersetzung mit der Gattung Musik stützen. Da war es schon eher angebracht, mich auf seine Stärken als Physiker, als Humanist, als der Wortgewaltige und als Philanthrop zu konzentrieren. Wenn man anfängt, sich mit Einstein auseinander zu setzen, fallen als erstes die vielen Berechnungen und die Neugier nach der Unendlichkeit des Weltalls auf. Und so begann ich, einen Weg zu suchen, dieses physikalische und mathematische Denken in Klang und Form zu übersetzen.

Einige seiner physikalischen Vorstellungen konnte ich unmittelbar in Musik umsetzen, andere wieder sollten symbolisch vergegenwärtigt werden. So z.B. galt lange Zeit die Theorie, dass das Licht eine Wellennatur darstellte, die sogenannte „Maxwellsche Elektrodynamik“. Einstein stellte diese Theorie in Frage und entdeckte die Lichtquanten, die den photoelektrischen Effekt erklärten, wofür er 1921 auch den Nobelpreis bekam. Diese physikalische Erscheinung der Lichtpartikel setzte ich akustisch so um, dass ich auf einen liegenden Klang  rhythmisch gleichmäßige Impulse aufsetzte und somit die Lichtpartikel akustisch „visualisierte“. Eine simple, aber klare Vergegenwärtigung der komplizierten Theorie.

Mit dieser ersten Annäherung war der Weg für die kompositorische Weiterentwicklung geebnet und ich ließ das musikalische Material der Oper auf Klangsymbolen beruhen, die jeweils eine Verbindung mit Zahlensymbolik (z.B. Protagonisten), akustisch-visualisierte Symbolik (z.B. Lichtpartikel) oder musikalischer Symbolik (z.B. Japanisches Klagelied) aufweisen. Das musikalische Material wurde in vier Hauptgruppen, die jeweils einem der Protagonisten zugeordnet sind, unterteilt.

In den Bruchstücken werden die vier Protagonisten nochmals mittels Orchester musikalisch in Szene gesetzt. In fünf Sätzen wird die Oper in einer Kurzfassung durchlaufen: vom Vorspiel über Sarahs „Lichtmusik“, „Franklins Brandrede“ und der „Feuermusik“ bis zur „Passacaglia“.

Der Epilog ist musikalisch ein eigenständiger Teil der Oper, worin Einstein sein Leben und die Entwicklung der Menschheit in Frage stellt. Er steht der Handlung kontemplativ gegenüber und hinterfragt den Sinn unseres Tuns und Seins. Dabei kommt er nicht an der A-Bombe und ihren katastrophalen Auswirkungen vorbei und wird von einem unerwarteten Teil seiner erfolgreichen Vergangenheit eingeholt. Neben dem bereits bestehenden kompositorischen Material erweitere ich an dieser Stelle das musikalische Material noch um eine besondere Dimension der Musiksymbolik. Als Einstein 1922 eine Vortragsreise durch Japan unternahm, fuhr er mit dem Zug unter anderem auch durch die Stadt über der knapp 24 Jahre später die erste A-Bombe gezündet wurde: Hiroshima. Aus dem Grund fand ich es mehr als angemessen, ein japanisches Klagelied einzubauen, das uns bis zum Ende der Oper begleiten wird. Das Lied heißt „Atsumori“ und ist ein traditionelles Lied basiert auf der japanischen Sage des Heike. Im Kampf gegen den Heike Clan, tötete Kumagai den Krieger Atsumori, der im gleichen Alter wie sein Sohn war. Verwendet habe ich daraus nur das Instrumentalvorspiel. Zum Gesang des „Atsumoris“ kommt es nie, weil die A-Bombe vorher bereits alle Stimmen verstummen lässt. Während die Piloten der „Enola Gay“ sich auf den Abwurf vorbereiten, spielen die Streicher unterschwellig das erste Mal dieses Klagelied. Je weiter das Lied fortschreitet, desto mehr weicht es vom Original ab, wie die vielen Gegenstände, die durch die Hitze der atomaren Kettenreaktion zu schmelzen begannen, so verformt sich auch das Klagelied mehr und mehr, bis es sich in einem hohen Ton auflöst. Nun setzt mit dem Klagelied ein 13-stimmiger Kanon ein. Die Zahl 13 löst seit Menschengedenken bei vielen eine Triskaideaphobie, die Angst vor der 13 aus. Ich verwende diese Zahl aber nicht nur als Zahl der Angst sondern auch als Symbol für die unübersehbaren Massen an Menschen, die durch den Krieg getötet wurden. Der hohe lange Ton, in dem sich der Kanon drei Mal auflöst, symbolisiert den hohen Ton, der im Flugzeug aktiviert wurde, um den Abwurf bei der Mannschaft an zu kündigen.

Dirk D’Ase, 2004

 

Epilog

Nun gehe auch ich langsam dem Ende zu 

und möchte mich endlich von dieser sonderbaren,

qualvollen Welt in Ruhe verabschieden.

Einfach ruhig verschwinden wäre schön,

wo doch alle schon verschwunden sind, die ich liebte.

Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft, was sind die noch für mich?

Eine Illusion, die hartnäckig und noch voll Sehnsucht zerrt an meinen Resten.

 

Wie seltsam unser Leben hier, ein Nichts im Universum,

unfreiwillig, ungebeten tauchen wir hier auf und sind da für kurz,

ohne zu wissen, warum und wozu,

aber unerschütterlich grotesk in diesem Narrenhaus.

 

Ich kann tun, was ich will. Aber ich vermag nicht, es zu wollen.

 

Was sind wir Menschen wohl?

Gebrannte Kinder,

die immer und ewig

einer fernen Musik nachziehen.

 

Führen wir nicht ein erbärmliches Leben?

Ungehörtes Flehen,

betrogene Hoffnungen

und enttäuschte Liebe?

 

Das einzige, was uns bleibt,

um nicht zu erblinden in dieser grauenhaft finsteren Welt,

ist das Licht der Vernunft.

Und doch hab ich damit auch die Büchse der Pandora geöffnet,

und neue, schrecklichere Finsternisse brachen daraus hervor durch mich.

 

Ich kann tun, was ich will. Aber ich vermag nicht, es zu wollen.

 

Unabwendbar unsere Bestimmung,

immer bessere Methoden zu erfinden, uns zu vernichten.

Wann kommt da endlich einer raus aus seiner Gier und ruft: Nein!,

den Zweck dieser Waffen wollen wir nicht mehr, für den man sie erfand.

 

Wenn aber niemand kommt und ruft,

die ganze Welt vielmehr begierig bleibt, sich zu vernichten,

dann soll sie es doch tun. Der Kosmos ruht,

und nicht eine Träne wird er für uns vergießen.

 

 

Albert Einstein / Gustav Ernst

 

________________________________________________________________

Orchester

 

3 Flöten (2. auch Altflöte und 3. auch Piccoloflöte), 2 Oboen, 2 Klarinetten, Bassklarinette, Fagott, Kontrafagott

3 Trompeten, 4 Hörner, 3 Posaunen, 1 Basstuba, Harfe, Akkordeon (Knopfgriff), Klavier (auch Celesta),

4 Schlagzeuger:

Xylophon, Glockenspiel, Crotales, Vibraphon, 4 Pauken, 2 Kleine Trommeln, 2 Bongos, 3 Tom Tom, Große Trommel <Fuß>, Große Trommel <standard>, Wood Block, 2 Temple Blocks, Triangel, Agogo Bells, 4 Canbox, Becken <groß, hängend>, Tam Tam <Tief>, Peitsche, Rute, Guiro, Tamburin, Quijada, Ratsche

Bariton, Streicher (groß besetzt)

Dauer: ca. 33 Minuten