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TextOrchesterbesetzung - english

 

Zeiten der Hoffnung

1. Symphonie

für großes Orchester und mittlere Stimme

 

© Noise Production Wien 1995/24

 

Ein Auftragswerk des Wiener Operntheaters

für die 50 Jahrfeier der 2. Österreichischen Republik

 

Seit Kriegsende 1945 konnten wir überall in Europa in Frieden leben. Keine Selbstverständlich-keit sondern ein Privileg, das uns kaum noch bewusst war, bis 1991 der Krieg am Balkan ausbrach. In den darauffolgenden Jahren breitete sich dieser Krieg wie ein Lauffeuer aus. Mittendrinnen, 1995 bekam ich den Auftrag ein großes Orchesterwerk für die 50 Jahrfeier der  2. Österreichischen Republik zu schreiben. Der 2. Weltkrieg lag bereits 50 Jahre zurück und doch: ich lebte zu der Zeit in Kärnten nahe der slowenischen Grenze und hörte und sah in regelmäßigen Abständen die Düsenjets des österreichischen Militärs über unser Haus fliegen, um  unsere Grenzen zu überwachen. Nur das Militär, denn der Passagierflugverkehr kam für viele Jahre zum Erliegen; keine Kondensstreifen mehr am Himmel und keine Fluggeräusche mehr. Da war der uns so vertraut gewordene Frieden plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr. Unter diesen Eindrücken entstand meine 1. Symphonie „Zeiten der Hoffnung“. Ich begann mich intensiv mit jenen Menschen auseinander zu setzen, die 50 Jahre zuvor ähnlichen Situationen ausgesetzt waren, diesmal aber im eigenen Land.

Die Texte, die in dieser Symphonie enthalten sind, wurden in Zeiten der Gefangenschaft geschrieben. Unter den unwürdigsten menschlichen Bedingungen fanden einige Gefangene immer noch die Kraft und den Mut, an das Leben und den Frieden zu glauben. Auch wenn ihr einziger Lichtblick der Himmel war, an dem sie sich erfreuen konnten und den sie mit soviel Aussagekraft und Sehnsucht beschrieben, haben sie nie aufgegeben, an das Leben und ihre Würde zu glauben. Die Willensstärke dieser Menschen hat mich tief beeindruckt. Ein Zitat von Jaques Lamy, einem der Textdichter der Symphonie, verdeutlicht mit eindringlichen Worten die aussichtslose Situation: "Schreiben im Konzentrationslager war streng verboten und wurde in der Regel mit dem Strang bestraft. Schon das Besorgen von Schreibzeug war fast unmöglich. Mir ist es trotzdem gelungen, und ich schrieb im Büro der Fabrik, in der ich arbeitete. Man musste das Manuskript an einem sicheren Ort verstecken. Es war nur vielen glücklichen Zufällen zu verdanken, dass ich die Aufzeichnungen durchbrachte und mit nach Hause nehmen konnte.".  

Die Symphonie "Zeiten der Hoffnung" beinhaltet Texte, die in den deutschen Konzentrations-lagern Dachau, Buchenwald, Vught und Bergen-Belsen geschrieben wurden, und schließt mit einem hebräischen Dankgebet aus dem Buch Jesaja ab. Die für eine Gesangsstimme gesetzten Worte bilden die Kernstücke des ersten und des dritten Satzes der Symphonie. Der zweite Satz ist ein rein instrumentaler Jubelgesang auf den Triumph, den die unvernichtbare Freiheit der menschlichen Seele über die jämmerlichen  Versuche der Mörder davonträgt. Die Worte Abel Herzbergs, die den Sieg der Opfer feiern, bilden das ungesprochene Thema dieses 2. Satzes, bevor sie im 3. Satz der Symphonie gesungen wiederkehren: ...Der Abendhimmel, dessen unendliche Schönheit selbst bis hierher drang. Haben sie uns auch die Welt genommen, uns den Himmel zu nehmen - das haben sie nicht vermocht.

"Zeiten der Hoffnung" soll ein Signal setzen für alle, die heute in Frieden leben dürfen, dass sie nie aufhören wachsam zu sein, um das Leben in Frieden und Freiheit zu erhalten.  

Dirk D'Ase 1995

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Texte und Sätze

 

1. Satz: mittlere Stimme und Orchester

 

     Edgar Kupfer-Koberwitz (1906-1991) geschrieben im KZ Dachau

 

Schwalben,

als brächten diese kleinen

harmlosen Tiere

etwas von der Freiheit,

von der Sonne draußen

mit herein.

Bald würden sie fortfliegen,

in den fernen Süden.

Die Augen der wartenden Häftlinge

ruhten mit unbeschreiblichen Blicken

auf den Schwalben.

 

     Jacques Lamy (1920-    ) geschrieben im KZ Buchenwald

 

Der Herbst

brennt ein Feuerwerk ab.

Die ganze Ebene

sieht an diesem Morgen

wie ein unendliches Nebelmeer aus.

Ich betrachte es

immer wieder.

Wolken ziehen darüber,

aber kein Segel.

 

 

2. Satz: Orchester

 

"...Der Abendhimmel, dessen unendliche Schönheit selbst bis hierher drang. Haben sie uns auch die Welt genommen, uns den Himmel zu nehmen- das haben sie nicht vermocht..."

 

 

3. Satz: mittlere Stimme und Orchester

 

     David Koker (1921-1945) geschrieben im KZ Vught

 

Die Farbe des Himmels

wechselt langsam

von blau nach violett.

Groß steht die Sonne

hinter dem  Wachturm.

Ruhig ziehen Wildenten vorüber.

Und wir stehen währenddessen

eine Stunde in Fünferreihen.

Rührt euch, immer wieder.

Ruhig der Abend,

ein violetter Schein

über uns allen.

 

     Das Buch Jesaja Kap.58/12

 

*)  Ki v'simcho seitseiu

 uv'sholôm tuvolun.

 Hehorim v'hagvoôs yifts'chu lifneichem rino

 v'chol atsei hasode

 yimchau chof.

 

     Abel Herzberg (1893-1989) geschrieben im KZ Bergen-Belsen

 

Der Abendhimmel,

dessen unendliche Schönheit

selbst bis hierher drang.

Haben sie uns auch die Welt genommen,

uns den Himmel zu nehmen -

das haben sie nicht vermocht.

Wolken und Mond

sind unsere Zeugen geblieben.

 

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*) Denn mit Freude werdet ihr ausziehen,

   und in Frieden heimgebracht werden,

   die Berge und Hügel werden laut vor euch jubeln

   und alle Bäume des Feldes

   werden in die Hände klatschen.

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Orchesterbesetzung:

                                                                                                                    

Piccolo, 2 Flöten (2. auch Piccolo), 3 Oboen, 3 Klarinetten, 3 Fagotte, (3. auch Kontrafagott),

4 Hörner, 3 Trompeten, 3 Posaunen, Basstuba, Harfe, Klavier (auch Celesta),

Schlagzeug (4 Spieler): Glockenspiel, Xylophon, Vibrafon, 5 Pauken, Kleine Trommel, 4 Tom Tom,

Große Trommel (tief), Tam Tam, Triangel (hoch), Becken (hängend),  Becken (geschlagen)

Mittlere Stimme, 1. Violine, 2. Violine, Viola, Violoncello, Kontrabaß

 

Dauer: 45 Min.

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Times Of Hope

1st Symphony

for full orchestra and medium voice

Commissioned by the Wiener Operntheater, Vienna

for the 50th Anniversary of the Republic of Austria 1995

 

For his first symphony "Zeiten der Hoffnung" ("Times of Hope") Dirk D'Ase uses texts that were written by prisoners in the German concentration camps (KZ) Dachau, Buchenwald, Vught and Bergen-Belsen, while enduring most horrendous human conditions. Some prisoners still found the power and the courage to believe in life and peace even when the sky was all they had as their own and which they described with so much desire and passion. They never gave up to believe in life and dignity. Dirk D’Ase was deeply impressed by the incredible will power and dignity of those human beings. The symphony concludes with a Hebrew prayer from the book Isaiah.

“When I wrote this symphony I stayed in Carinthia near the border of Slovenia (former Yugoslavia) during the war in 1995. We could hear the gun fire across the border in the middle of the heart of Europe and it became clear to me that I was lucky to be on the Austrian side only a few miles away from war. "Times of Hope" is meant to be a signal for everybody who lives in peace today. It reminds us to take no rest in our attempt to preserve peace and to fight for freedom. The words of Abel Herzberg  are  a symbol of this awareness:"...The evening sky with its incredible beauty still passes through to us. They could take away the world but to take away the sky from us-they had to fail..."

Dirk D’Ase 1995