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Die virtuose Klarinette als Jazz-Schlagzeug

Ein Artikel von Ljubisa Tosic über Dirk D'Ase

in der Zeitschrift des Wiener Musikvereins anlässlich der UA des Cellokonzerts.

Dirk D’Ase, 1960 in Antwerpen geboren und seit 1981 in Wien daheim, ist in der Saison 2003/04 „Composer in Residence“ beim Wiener Concert-Verein. Zwei brandneue Werke steuert er zu diesem Zyklus bei. Nach „Feuerlicht…Nachtschatten“ steht die Premiere seines Cellokonzertes auf dem Programm. Zuvor gibt es die Wiederbegegnung mit einem „Klassiker“: D’Ases Akkordeonkonzert aus dem Jahr 1993.

 

Auf einem Photo sieht man Dirk D'Ase in der namibischen Wüste. Da liegt er, fernab vom Lärm der Großstadt, gemütlich auf dem Bauch ausgestreckt im goldbraunen Sand und blickt mit einem Ausdruck heiterer Melancholie in die Kamera. Zweifellos befindet er sich da an einem Ort seiner Sehnsucht. Aber da ist eben auch diese dezente Traurigkeit in seinen Au­gen. Und wenn man mit ihm redet, kann man sich schwer des Eindrucks erwehren, daß diese Traurigkeit doch mit dem Bewußtsein in Zu­sammenhang steht, daß dieser bildmäßig ein­gefangene Glücksaugenblick nicht ewig andau­ern wird und man irgendwann zurück muß.

 

Kapitulation vor der Musik

 

„Ich wollte eigentlich immer Abenteuer, ich wollte herumreisen und dies ausschließlich und nicht nur während des Urlaubs. Das war meine große Sehnsucht. Ich wollte das mit der Musik eigentlich nicht, habe mich lange gegen sie ge­wehrt. Eigentlich habe ich ja als Kind angefan­gen, meine Eltern waren Musiker. Mit acht ha­be ich Orchesterklänge in mir gehört - das war sehr real und erschreckend. Ich habe nicht ver­standen, warum ich das höre, ich habe das auch nie jemandem erzählt. Mit 14 habe ich dann ka­pituliert, mich damit abgefunden, daß das mei­ne Disposition ist. Der Geist hat allerdings wo­anders hingedacht. Auch mit dem Erfolg habe ich schließlich kapieren müssen, daß es doch ein Weg für mich ist.'"

 

Jenseits von Afrika

 

Ein Weg, den er doch mit ziemlichem Arbeits­einsatz beschreitet: Es gab schon Phasen, in de­nen er drei Werke gleichzeitig schrieb. Und wenn eine Arbeitsphase vorbei ist, ist er auch mitunter schon ziemlich „am Ende meiner Kräfte". Allerdings, erzählt D'Ase nicht ohne Stolz, sei er noch immer rechtzeitig mit allen Werken fertig geworden. So hat der Wahlöster­reicher (geboren wurde er im flandrischen Ant­werpen) mittlerweile immerhin fünf Opern, eine Symphonie, vier Solokonzerte, Orchester­werke sowie Orchesterlieder vorzuweisen. Die Oper „Einstein - Die Spuren des Lichts" wird übrigens im März 2004 zum 125. Geburtstag Albert Einsteins in dessen Heimatstadt Ulm uraufgeführt.

Bei so viel Sehnsucht nach der Ferne kann es nicht ausbleiben, daß Afrika auch in seinem Werk seinen Niederschlag findet. Einmal war er mehrere Monate lang in Wüsten, Savannen, Urwäldern und Townships unterwegs. Auf sei­ner zweiten Reise, die ein halbes Jahr dauerte, entdeckte er schließlich die Faszination der dortigen Klangfarben und rhythmischen Mu­ster. Auch beim Akkordeonkonzert, das nun aufgeführt wird, spielt Afrikanisches mit hin­ein. Dirk D'Ases enge Verbindung zu diesem Instrument begann nämlich in Afrika, als er auf einer Forschungsreise Südost afrikanische Volksmusik studierte. Der Klang des Instru­mentes faszinierte ihn und fand zunächst sei­nen Niederschlag in D'Ases erster Oper „Red Rubber", die 1993 in Antwerpen uraufgeführt wurde. Parallel dazu entstand die Idee, dieses Instrument als Soloinstrument in einem Kon­zert einzusetzen. D'Ase empfindet es grundsätzlich als Nachteil, „daß dieses Instrument sehr mit Volksmusik assoziiert wird. Es hat so viele Klangmöglichkeiten, bei mir kommt auch die perkussive Seite zum Zug“

 

Zwei Skorpione

 

Die Möglichkeiten des Klanges auszuloten, das hält D'Ase auch für eine seiner Stärken. Und das hängt auch mit den Impressionen zusam­men, die er bei den Begegnungen mit dem Komponisten Luciano Berio gesammelt hat: „Er war - wenn man das so sagen kann - mein Hauptlehrer. Er hat ja nicht im üblichen Sinne unterrichtet, darauf hat er mich zunächst auch brieflich hingewiesen. Aber wir haben uns gut verstanden, obwohl wir beide schwierig sind, beide Skorpione. Ich war erstmals 1987 bei ihm, er hat mich eingeladen. Wir haben geta­felt, er hat meine Partituren durchgeschaut und konstruktive Kritik geübt. Verrückt war eine spätere Begegnung in Salzburg: Wir saßen da, er hat zwei Stunden lang die Noten durchge­schaut, war grantig, hat vor sich hingemurmelt. Mir wurde kalt, ich war schweißgebadet. Dann steht er nach zwei Stunden also auf, schaut mich an, und sagt: ,Bravissimo!' Ich war fertig, das war Wahnsinn!''

 

Emotionen transportieren

 

Das Komponieren als Vorgang? „Ich lasse die Dinge gerne reifen, das ist mein Komponier­system, ich muß etwas zunächst innerlich hören. Prinzipiell schreibt man ja immer zu viel. Ich versuche, die Information mittlerweile zurückzunehmen, es ist dann immer noch genügend da. Ich will das Vorhandene schließ­lich nutzen und nicht immer etwas Neues draufsetzen. Früher habe ich auch viele Frei­heiten gelassen. Mittlerweile bin ich sehr de­tailliert in den Angaben. Dies wird auch ver­langt und verkürzt die Probenzeit. Allerdings vermeide ich Metronomangaben.“ Seine Lebenshaltung beschreibt er folgender­maßen: „Ich kann tun, was ich will. Aber ich vermag nicht, es zu wollen." Das ist ein Zitat von Schopenhauer. Und in dem findet sich der Weltbürger Dirk D'Ase wieder - wie auch in dem eigenen künstlerischen Credo, daß „Musik Emotionen transportieren muß". Konkret: „In meiner Musik spiegelt sich viel von dem emotioneilen Kampf, der in mir als Person tobt, wider. Es ist mir unmöglich, mich in meinen Kompositionen zu verstellen. Die Musik transportiert meine Erregung nach außen." Keine schlechten Voraussetzungen für spannende Klänge.

 

Ljubisa Tosic

 

(Dr. Ljubisa Tosic ist Kulturredakteur und Musikkritiker des „Standard“ in Wien.)